Was bedeutet "Nachhaltigkeit" beim Bau und Betrieb eines großen Wasserkraftwerks?
Am Mekong in Laos hat die Xayaburi Power Company (XPCL) ein Wasserkraftwerk in Betrieb genommen, das Strom für Thailand und Laos produziert. ANDRITZ steuerte wesentliche Teile der elektromechanischen Ausrüstung bei und begleitete das Mammutprojekt von Anfang bis Ende. XPCL-Projektleiter Dr. Michael Raeder erklärt, wie ökologische, ökonomische und soziale Ziele miteinander in Einklang gebracht wurden.
Herr Raeder, bei einem Großprojekt wie dem Xayaburi-Kraftwerk stellen Stakeholder immer wieder die berechtigte Frage, wie sehr es in gewachsene ökologische und soziale Verhältnisse eingreift. Wie gehen Sie damit um?
MR: Nachhaltigkeit hat sowohl für Xayaburi Power als auch für dessen Mehrheitseigentümer CK Power oberste Priorität. Da die Wasserkraft eine erneuerbare und CO2-neutrale Energiequelle ist, kann das Projekt Xayaburi mit einer installierten Leistung von 1.285 MW bei Inbetriebnahme als wahrlich nachhaltig bezeichnet werden. Der Hauptzweck des Projekts ist zwar die Stromerzeugung – Umweltverträglichkeit und soziale Nachhaltigkeit spielten jedoch stets eine Schlüsselrolle bei der Projektentwicklung. Dies gilt insbesondere für die Themen Fischmigration und Sedimentmanagement, auf die ein besonderes Augenmerk gelegt wurde. Die Maßnahmen zur Minimierung der möglichen negativen Auswirkungen sind in diesen Bereichen beachtlich und werden auch von externen Stellen wie der Mekong River Commission (MRC) als Maßstab für zukünftige Projekte gesehen, nicht nur am Mekong, sondern weltweit.
Der Mekong ist ein überaus artenreicher Fluss mit vielen Fischarten, die im Zuge ihrer Wanderungen oft große Strecken zurücklegen. Was haben Sie unternommen, um die für das Ökosystem wichtige Mobilität der Tiere zu erhalten?
MR: Zunächst wurden von Xayaburi Power vor Ort viele umfangreiche Untersuchungen und spezielle Tests durchgeführt. Mit den gewonnenen Daten konnten die Experten ein modernes Konzept entwickeln, das die ganzjährige ungehinderte Fischmigration von den stromabwärts liegenden Regionen in die stromaufwärts liegenden und umgekehrt ermöglicht. Die Migration wird sowohl von der Strömung des Flusses gelenkt als auch vom natürlichen Instinkt der Fische, gegen die Strömung zu schwimmen. Das Kraftwerksprojekt ermöglicht es den Fischen auch weiterhin, stromaufwärts zu schwimmen, indem sie einfach diesen Strömungen folgen. Seit 2019 haben unzählige Fische den Projektbereich passiert. Außerdem ermöglichen spezielle Migrationsmaßnahmen Fischeiern, Fischlarven und Jungfischen die ganzjährige Migration stromabwärts. Etwaige negative Folgen des Auf- und Abstiegs durch das Kraftwerk werden durch die fischfreundliche Konstruktion der von ANDRITZ Hydro gelieferten Turbinen minimiert. Xayaburi Power hat das Thema Fischmigration stets sehr ernst genommen. Insgesamt investierte das Unternehmen mehr als 300 Millionen US-Dollar – rund zehn Prozent des Gesamtbudgets für den Bau – in die Errichtung der gesamten Fischaufstiegs- und -abstiegshilfen.
Das Sediment ist eine wichtige Ressource im Mekong, es dient als Nährstoffträger für Fische sowie zur Erhaltung der Uferstabilität und der Delta-Region in Vietnam. Wie wirkt sich das Kraftwerk darauf aus?
MR: Basierend auf umfangreichen Sedimentuntersuchungen und Simulationen haben die Projektplaner vier große, tief im Flusslauf positionierte Auslassschützen konstruiert, die in der Lage sind, die sedimenthaltigen Strömungen in das Unterwasser abzuleiten. Diese Strömungen entstehen vorwiegend in der Regenzeit, und mehr als 90 Prozent des gesamten Jahresvolumens an Sediment werden während der dreimonatigen Hochwasserzeit transportiert. In dieser Periode werden die tiefen Auslassschütze geöffnet, um überschüssiges Wasser abzulassen, welches nicht zur Energieerzeugung verwendet wird, und das Sediment aus dem Einstaubereich ins Unterwasser abzuleiten. Die Wasserwege und Turbinen wurden so ausgelegt und gebaut, dass sie den Durchlauf des Sediments ermöglichen und ihm auch standhalten. Umfangreiche Modellierungen ergaben, dass Xayaburi als eine Art durchlässiger Staudamm bezeichnet werden kann, was vernachlässigbar geringe Auswirkungen auf die Gesamtsedimentbilanz des Mekong hat.
Die ANDRITZ-Turbinen weisen durch ihr Design höchste Fischfreundlichkeit auf.
Nachhaltigkeit hat immer auch eine soziale Dimension. Was bedeutete der Kraftwerksbau für betroffene Anwohner? Wie wurden und werden sie von Ihnen unterstützt?
MR: Angesichts der Größenordnung des Projekts mit einer jährlichen Stromerzeugung von 7.300 GWh, die ausreichend ist, um mehrere Millionen Haushalte mit Strom zu versorgen, war die Zahl der notwendigen Umsiedelungen verhältnismäßig gering. Aber auch wenn nur wenige Haushalte davon betroffen waren – Umsiedelung und Entschädigung der Betroffenen wurden sorgfältig und respektvoll durchgeführt. Insgesamt 612 Haushalte mit 3.036 Bewohnern wurden in diverse, vom Bauträger initiierte Programme aufgenommen. Diese beinhalteten nicht nur die Umsiedelung in 669 neue, vom Unternehmen gebaute Häuser, sondern auch andere Formen der Entschädigung, beispielsweise in Form von Lebensmitteln und Geldzahlungen. Ziel war es, den Menschen zu ermöglichen, ihre allgemeinen Lebensbedingungen zu verbessern und ein nachhaltiges, über den Vorgaben der laotischen Regierung liegendes Einkommen zu erreichen. Zu diesem Zweck wurden und werden den Betroffenen spezielle Schulungen angeboten, damit sie Wissen und Erfahrung in verschiedenen Berufen erlangen können. Diese Programme werden nach Fertigstellung des Projekts und Aufnahme des kommerziellen Betriebs der Anlage noch mindestens zehn Jahre lang fortgesetzt.
Beim Kraftwerk Xayaburi haben ökologische Maßnahmen, wie zum Beispiel zur Sicherstellung des Sedimenttransports oder der Fischmigration, höchste Priorität.
In Stoßzeiten arbeiteten mehr als 10.000 Menschen auf der Kraftwerksbaustelle. Welche Maßnahmen haben Sie im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz getroffen?
MR: Der Generalunternehmer CH. Karnchang hat von Beginn an ein strenges Arbeitssicherheitsprogramm für alle Arbeiter eingeführt. Zu den Stoßzeiten sorgten mehr als 100 Arbeitssicherheitsbeauftragte für die strenge Einhaltung der internationalen Gesundheits- und Sicherheitsstandards. Das war vor allem deshalb notwendig, weil die lokalen, oft ungelernten Arbeitskräfte nicht mit der richtigen Verwendung der standardmäßigen persönlichen Schutzausrüstungen sowie mit sicheren Arbeitspraktiken vertraut waren. Diese Menschen wurden intensiv geschult, bevor sie ihre Arbeit auf der Baustelle aufnahmen. Kontinuierliche Fortbildung und Auffrischungskurse wurden während der gesamten Bauzeit durchgeführt. Bei einem Projekt mitten im Mekong ist die Vermeidung von Umweltvorfällen, welche die Wasserqualität gefährden könnten, extrem wichtig. Deshalb wurde ein intensives Überwachungsprogramm eingeführt, das die Wasserqualität sowohl flussaufwärts als auch flussabwärts des Kraftwerks misst. Xayaburi Power ist stolz, dass es während der gesamten Bauzeit des Projekts zu keinem Umweltvorfall kam.