AUS EINEM GUSS
CHALLENGE
DIE GLOBALEN KLIMAZIELE WERDEN NUR DANN ERREICHT,
wenn sich CO2-neutrale Antriebstechnologien durchsetzen. Brennstoffzellen, die mit grünem Wasserstoff betrieben werden, sind deshalb sehr attraktiv. Allerdings sind die Kosten für Brennstoffzellensysteme mangels industrieller Serienfertigung heute noch hoch.
SOLUTION
50.000 BRENNSTOFFZELLEN PRO JAHR
Schuler, ANDRITZ Soutec und thyssenkrupp Automation Engineering haben eine Anlage entwickelt, mit der bis zu 50.000 Brennstoffzellen pro Jahr gefertigt werden können, sodass die Produktkosten durch Skaleneffekte deutlich reduziert werden.
Hermann Uchtmann, verantwortlich für das Business Development für E-Mobility-Themen bei Schuler, und Thomas Kuschel, Head of Fuel Cell bei thyssenkrupp Automation Engineering, sind die treibenden Köpfe hinter dieser Kooperation. Im Interview erklären sie, wie es zu der Zusammenarbeit kam, was ihre Anlage so besonders macht und wie sie die Zukunft der Technologie sehen.
Brennstoffzellen versorgten bereits die Apollo-Mondmissionen in den 1960er-Jahren mit Strom. Heute gelten sie als ein entscheidender Energielieferant der Zukunft, denn die Erfindung ist einfach, genial und umweltfreundlich: Ein Brennstoff – zum Beispiel Wasserstoff – reagiert in der Zelle mit einem Oxidationsmittel wie Sauerstoff. Dabei entsteht nichts als Wasser, Wärme und eben Strom, der genutzt werden kann.
Zur stationären oder mobilen Stromerzeugung werden Brennstoffzellen bereits eingesetzt. Noch handelt es sich jedoch um geringe Stückzahlen, da die Fertigungskosten hoch sind. Das wiederum bremst die Nachfrage. Schuler und ANDRITZ Soutec haben gemeinsam mit thyssenkrupp Automation Engineering eine Lösung dafür gesucht – und gefunden.
Herr Uchtmann, wie kam es dazu, dieses Projekt zu starten?
HU: Ich hörte einen spannenden Vortrag von Thomas Kuschel auf einer Fachveranstaltung und sprach ihn an. Ich hatte das Gefühl, dass sich eine Kooperation lohnen könnte, weil unsere Unternehmen Spezialisten für bestimmte Prozessschritte der Brennstoffzellen-Fertigung sind und sich möglicherweise ideal ergänzen. Wir kamen ins Gespräch, die Chemie stimmte, und wir spürten schnell: Da geht was.
Worum genau geht es dabei, Herr Kuschel?
TK: Wir bündeln unser Know-how, um die gesamte Wertschöpfungskette in einer einzigen Anlage abzudecken. Mit der Fertigung der metallischen Bipolarplatten in Großserie, der Montage der Stacks und Systeme der Brennstoffzellen sowie der laufenden Qualitätsprüfung bieten wir den Kunden alles aus einer Hand. Aktuell befinden wir uns in Gesprächen mit potenziellen Pilotkunden, die Interesse daran haben, die Anlage in ihre Fertigung zu integrieren.
Was bedeutet „Großserie“ in Zahlen?
TK: In einer Brennstoffzelle befinden sich 300 bis 400 Bipolarplatten, die zu Stapeln geschichtet sind, den sogenannten Stacks. Sie bilden quasi das Herz einer Brennstoffzelle. Jährlich können bis zu 50.000 Brennstoffzellen-Stacks produziert werden, denn unsere Anlage fertigt eine Platte pro Sekunde und ist damit bis zu zehnmal schneller als andere am Markt erhältliche Lösungen, inklusive Qualitätsprüfung wohlgemerkt.
Thomas Kuschel ist bei thyssenkrupp Automation Engineering für alle Aktivitäten rund um das Thema Brennstoffzelle verantwortlich.
"UNSERE ANLAGE FERTIGT EINE BIPOLARPLATTE PRO SEKUNDE. DAMIT IST SIE BIS ZU ZEHNMAL SCHNELLER ALS ANDERE AM MARKT ERHÄLTLICHE LÖSUNGEN."
Thomas Kuschel
Warum ist Ihre Anlage so viel schneller als andere?
HU: Weil wir von Anfang an, also schon in der Konzeption und Planung, unsere Schnittstellen sauber definiert haben. Wenn man das nicht tut, sondern lediglich verschiedene Anlagen und Komponenten zusammenstückelt, entstehen fast immer Reibungsverluste und Betriebsprobleme. Bei uns ist alles aus einem Guss und damit sehr effizient.
Können Sie die Aufgabenteilung noch etwas genauer beschreiben?
HU: Schuler ist für das hochpräzise Umformen der Edelstahlbleche verantwortlich, die mit nur 70 bis 100 Mikrometer übrigens in etwa so dünn sind wie ein menschliches Haar. Beide Hälften der Bipolarplatten werden in einem Pressenhub gefertigt. Danach werden sie in einer Anlage von ANDRITZ Soutec mittels Laserstrahlung präzise gasdicht verschweißt.
BRENNSTOFFZELLEN: BEACHTLICHES WACHSTUM
Die Unternehmensberatung McKinsey rechnet damit, dass das internationale Marktvolumen für Brennstoffzellen im Mobilitätssektor im Jahr 2030 bei rund 13 Milliarden US-Dollar liegen wird. Hauptverantwortlich für das prognostizierte jährliche Plus von 32–45%: Produktionszuwächse von Lkw in China und Europa sowie die Ankündigung asiatischer Pkw-Produzenten, ab 2025 fast 40 neue Brennstoffzellen-Fahrzeuge auf dem japanischen und südkoreanischen Markt anzubieten.
Quelle: McKinsey team analysis;
Hydrogen Council. Grafik: Angaben in Milliarden US-Dollar
TK: In einem unserer Prozessschritte werden daraufhin auf beiden Seiten der Bipolarplatten Dichtungen aufgetragen, getrocknet und optisch auf ihre Qualität hin überprüft. Außerdem steuern wir Anlagenteile zur Fertigung der Membran-Elektrodeneinheit (MEA) sowie zum Stapeln der finalen Brennstoffzellen-Stacks bei. Auch hier erfolgt abschließend eine automatisierte Qualitätsprüfung mit einem optischen System.
Wie schätzen Sie die Marktentwicklung ein, wird die Nachfrage nach Brennstoffzellen anziehen?
TK: Wir haben für eine Reihe von Kunden bereits kleinere Anlagen oder Teilanlagen realisiert. Und der globale Trend ist in meinen Augen eindeutig: Durch den Fokus auf Deckung des Energiebedarfs bei gleichzeitiger nachhaltiger Senkung der CO2-Emissionen ist das Interesse an der Wasserstoff-Technologie groß, zum Beispiel für Lkw, Busse und Züge, Schiffe, Flugzeuge sowie Kraft-Wärme-Kopplungssysteme von Eigenheimen.
HU: Brennstoffzellen sind eine Säule der künftigen Energieversorgung, was viele Studien und Marktanalysen bestätigen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Technologie mittel- bis langfristig verbreiten wird. So gibt es zum Beispiel in Asien bereits eine Reihe mittels Brennstoffzellen angetriebener Pkw, und auch europäische OEM haben Serienfahrzeuge angekündigt. Mit unserer neuen Anlage beweisen wir, dass eine Großserienfertigung der Zellen auf höchstem Qualitätsniveau realisierbar ist. Ein gutes Signal, dass es sich lohnt, stärker in diese Technologie zu investieren.
TK: Wir denken auch schon an den nächsten Schritt: Unsere Anlagen sollen in wenigen Jahren in der Lage sein, bis zu 500.000 Brennstoffzellen pro Jahr zu fertigen. Die Zukunft kann kommen!
TALKING TECH: KLIMANEUTRALE ENERGIEVERSORGUNG
Brennstoffzellensysteme sind hervorragende Speicher für überschüssigen grünen Strom, der durch Windkraft, Photovoltaik oder andere erneuerbare Energien erzeugt wird. Im ersten Schritt wird mit dem Strom in einem Elektrolyseur Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Der dabei entstehende CO2-freie grüne Wasserstoff kann danach als nachhaltiger Energielieferant in Brennstoffzellen von Lkw, Flugzeugen, Pkw und Schiffen eingesetzt werden, aber auch zur Notstromversorgung in Krankenhäusern oder Rechenzentren.