„Co-Kreation ist das Zauberwort.“
Rohrdorfer Zement
ANDRITZ hat für Rohrdorfer Zement die erste CO2-Abscheideanlage für die Zementindustrie in Deutschland geliefert. Sie ist optimal an die Bedürfnisse des Unternehmens angepasst und wurde in kürzester Zeit konzipiert und gebaut.
Mit der Anlage lassen sich pro Tag zwei Tonnen CO2 abscheiden, das anschließend als Wertstoff von Chemiewerken und Brauereien genutzt wird. Perspektivisch möchte Rohrdorfer die Menge auf 1.500 Tonnen pro Tag steigern. Das Pilotprojekt ist ein wichtiger Beitrag, um das Ziel der deutschen Zementindustrie zu erreichen, bis 2050 klimaneutralen Zement zu produzieren.
Der 21 Meter hohe Turm auf dem Gelände des oberbayerischen Unternehmens Rohrdorfer Zement wirkt aufden ersten Blick unscheinbar. Dabei beherbergt er eine kleine Sensation: Deutschlands erste CO2-Abscheideanlage für die Zementproduktion. Die Anlage entstand in enger Zusammenarbeit mit ANDRITZ und scheidet pro Tag zwei Tonnen Kohlendioxid ab. Aber das ist nur der Anfang.
Warum das Projekt wegweisend ist und welche Zukunfts-pläne Rohrdorfer hat, erläutern Dr. Helmut Leibinger, Leiter des Net-Zero-Emission-Teams, und Günther Wunsam, kaufmännischer Leiter der Sparte Zement.
Rohrdorfer Zement
Rohrdorfer Zement
Herr Wunsam, die deutsche Zementindustrie will bis 2050 klimaneutralen Zement produzieren. Wie sieht Ihre Agenda bei Rohrdorfer aus?
GW
Wir möchten schneller sein und streben an, unsere Produktion bis 2040 zu dekarbonisieren. Das ist ehrgeizig, aber ich sehe uns auf Kurs. Bereits im Jahr 2022 haben wir hier am Standort Zement mit 45 Prozent weniger CO2 hergestellt als noch 1990. Dies gelang, indem wir die Zementsorten und den Einsatz der Brennstoffe optimierten. Bis 2030 möchten wir bei 65 Prozent Einsparung liegen. Die restlichen 35 Prozent CO2, und das führt uns zu unserer Pilotanlage, möchten wir als Wertstoff nutzen.
Wie gehen Sie dabei vor?
GW
Grundsätzlich ist es ja so, dass der Kohlenstoff im CO2 sich zu Methanol, Ethylen oder Ameisensäure weiterverarbeiten lässt. Auf diese Weise können Produkte entstehen, die heute zumeist auf Erdölbasis hergestellt werden müssen. Das heißt: Wenn wir CO2 als Kohlenstoffquelle betrachten und nutzen, schützen wir damit das Klima und machen Unternehmen unabhängiger von Erdöl und Erdgas. Für Rohrdorfer wiederum eröffnen sich damit neue Geschäftsfelder.
Vom Problem zum Wertstoff Kohlendioxid trägt entscheidend zur globalen Erwärmung bei. Neben Effizienzsteigerungen, Energieeinsparungen und dem Einsatz erneuerbarer Energien hilft die CO2-Abscheidung, Emissionen zu reduzieren. Die ANDRITZ-Technologie im Überblick:
Herr Leibinger, könnten Sie das bitte noch etwas genauer erklären?
HL
Mit unserer Pilotanlage waschen wir das CO2 vollautomatisch aus dem Rauchgas unserer Zementproduktion und füllen es in spezielle Stahlflaschen ab. Diese liefern wir dann zum Beispiel an die chemische Industrie oder Brauereien. Das Interesse in beiden Branchen ist groß. Die aus diesem gebundenen Kohlendioxid gewonnene Ameisensäure dient zum Beispiel als Basis für Reinigungs- und Enteisungsmittel. Außerdem ist das Gas für die Kohlensäureanreicherung von Mineralwasser verwendbar. Deshalb haben wir großen Wert darauf gelegt, dass unser CO2 lebensmittelrein ist.
Welche Mengen möchten Sie mittelfristig produzieren?
HL
In der nächsten Ausbaustufe der Anlage werden wir 48 Tonnen täglich abscheiden. Perspektivisch planen wir, 1.500 Tonnen pro Tag zu gewinnen. Entscheidend für die Vergrößerung der Anlage ist die maximal zur Verfügung stehende Energiemenge, die wir für den Waschvorgang benötigen. Deshalb arbeiten wir intensiv daran, diesen Prozess mit Hilfe von Wärmepumpen und Wärmerückgewinnung sowie in Zukunft durch den Strombezug aus erneuerbaren Quellen immer effizienter zu machen.
So viel CO2 möchte Rohrdorfer Zement in einigen Jahren pro Tag abscheiden – 750-mal mehr als heute.
Rohrdorfer Zement produziert an 142 Standorten in Deutschland, Österreich, Italien und Ungarn hochwertige Baustoffe für den regionalen Bedarf. Das Produktsortiment umfasst Zement, Transportbeton, Fertigteile und Betonwaren sowie Sand und Kies. Das Unternehmen hat 2.130 Beschäftigte und sieht sich als Vorreiter auf dem Weg zur CO2-neutralen Baustoffproduktion. Rohrdorfer setzte schon früh einen Reingaskatalysator zur Entstickung ein und verstromte mit Hilfe eines Kraftwerks die Abwärme aus der Zementherstellung.
Ihr Partner auf diesem Weg ist ANDRITZ. Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit?
HL
Wir sind sehr zufrieden. Der Zeitplan wurde exakt eingehalten, teilweise sogar unterboten, und das trotz der Lieferschwierigkeiten in der Corona-Krise. Wir hatten von Anfang an den Eindruck, dass man uns zuhört und nicht von oben herab eine vermeintliche Lösung überstülpt. ANDRITZ hat das Abscheide-Verfahren für uns individuell angepasst, um die optimale Reinheit des CO2 und eine hohe Langlebigkeit des zur Abscheidung genutzten chemischen Lösungsmittels zu erreichen. Wenn man eine Pilotanlage baut und betreibt, macht man ständig neue Erfahrungen. ANDRITZ steht uns dabei zur Seite.
GW
Die Dekarbonisierung unserer Industrie ist eine Mammutaufgabe. Sie ist vergleichbar mit den enormen technologischen Anstrengungen, die in den 1960er-Jahren unternommen wurden, um Menschen auf den Mond zu bringen. Das große Ziel der CO2-Neutralität lässt sich nur erreichen, wenn Unternehmen eng kooperieren, ihre Kräfte bündeln und Neues erschaffen. Co-Kreation ist das Zauberwort. Unsere CO2-Abscheideanlage ist ein Beispiel dafür, dass das gelingen kann.